Was bedeutet der Name "Ganslosen"

Darüber gibt es verschiedene Theorien, die im folgenden beschrieben werden:

Dr. Bacmeister vermutet in seinen "alemannischen Wanderungen" eine wendische Bezeichnung. "Das Dorf hieß nicht Ganslosen sondern schon um 1100 Gaslosen. So und Gaß´losen schrieben die Leute hier noch lange nachher ihren Ortsnamen. Später muß eine Lesart Gastlosen aufgekommen sein, denn ein Bericht von 1535 erklärt den Namen des Orts daraus, "weil viel Wirt und wenig Gäste daselbst gewesen". Der Name Gaslosen ist ein blankes Rätsel, ein Unicum wie Bubenorbis. Unter den wenigen deutschen Ortsnamen überhaupt, welche mit Gas-, Gaß-, Gast- und dergleichen anlaufend nicht sonst sich erklären, fallen mir die zwei bayrischen Gastenfelden auf, also genau in der Gegend, in der es von wendischen Namen wimmelt.
Slawische Namen auf -gast auslautend sind bekanntlich ungeheuer häufig (Schorngast, Wolgast usw.). Aber auch im Anlauf erscheind die Silbe (Gastgrund in Pommern, Gastorf in Böhmen, Gastrose, Gaschwitz u.a.). Für die ganze Form Gaslosen weiß ich nun allerdings keinen slawischen Namen anzugeben, den man zu Grunde legen könnte, aber zwischen slawischem und deutschem Ursprung scheint mir die Waage mindestens gleich zu stehen. Ich stelle mir eine versprengte Wendenhorde vor, die eines Tages sich in das abgelegene Albtal einbaut oder leibeigen hineingetrieben wird und dort jene Götter und Penaten aufstellt, an deren Tempel dereinst die Wogen der Ostsee schlugen, ihren Swatovit und Frigloff, ihren Radegart und Inthrolog, ihren Bellog und Tschemibog.

Richard Buck schreibt in den Vierteljahresheften der Deutschen Altertumskunde: "Wir wissen aus der Geschichte der duetschen Mark- und Hofverfassung, wie in allen Ländern germanischen Rechts sowohl umfangreiche Gemeindeländereien (Allmanden) aos auch Gewandungen von Fronhöfen, dort an die berechtigten Markgenossen, hier an die hörigen Hofjünger nach dem Lose verteilt werden. Diese Lose oder Losteile, sortes portiones, behielten in vielen Marken den einfachen Namen ihres Ursprungs bei. Sie finden sich, zumal in Schwaben, ungemein häufig und erscheinen heute als vermessene, in Parzellen zerschlagene Äcker, Wiesen, Weiden und Wälder. Bei vielen läßt sich jetzt noch ermitteln, daß sie Allmand waren, viele sind es zur Stunde noch, bei dem Rest läßt sich das für frühere Zeiten mit ziemlicher Sicherheit behaupten. Beispiele für die einfache Form: in Losen (Weinberge und Äcker), in Lösen (Wald) und in Lösenen (Wald und Feld). Dieselben in schwäbischem Gewande: in Lausen (Wiesen), in Lausenen (Wiesen) in Löschen (Äcker).

Dann schildert Buck das Gansloser- oder Wettenbachtal in seiner Lage und Beschaffenheit als äußerst sumpfig und fährt fort: "Die alten Schreibungen Gas und Gos in Gaslosen und Goslosen, wie das schwäbische gaus in Gauslosen, gehören angesichts dieser Umstände zum althochdeutschen gos O diluvies. Wie das alte, auch in oberdeutschen Mundarten noch zu findende gos und gus in das schwäbische gaus hinüberglitt, so ist igm gos = diluvia, Überschwemmung, auf demselbe Wege der Lautwandel gefolgt. Wenn das Volk bei gos nur an die Gans und nicht an eine verschollenes gos = Überschwemmung dachte und damit dem guten Ganslosen für alle zeit ein "Schlächterling" anhing, so wird man dies nur in der Ordnung finden. Ganz in der Nähe findet sich ein anderer Nebenbach der Fils, die Gos, an welcher Gosbach liegt. Man wird die alte Kameradschaft nicht verkennen. Zusammensetzungen mit gos sind auch anderswo nicht selten; ich will nur Goslar, Gosowe, Gosfeld anführen. Goslosen oder Gaslosen wird dem Vorgetragenen zufolge schwerlich etwas anderes sagen wollen, als sortes juata ripam stagnantem. Dafür spricht der jetzige Name des Gansloser Baches beredt genog. Die Wette oder das Watte bedeutet in Oberschwaben heute noch s.v.a. stagnum ausgetretenes Wasser. Wettenbach ist daher nur eine jüngere Übersetzung für ein altes Gose. Währe die alte Lesart Gastlosen, die im 16. Jahrhundert vorzukommen scheint, alt, so könnte man an sortes extraneocum denken, da die alte Rechtssprache unter Gast einen Ausländer verstand, der kein Recht an die gemeine Mark hatte, dem aber häufig aus "Gunst und gutem Willen ein Nutzen an der Allmand verstattet wurde.

O. Renz deutet in den Blättern des Schwäbischen Albvereins (1916) den Namen als "die Lose beim Gansbild", die "Ganslose". Nach der Zimmerschen Chronik sei bis zur Zeit Herzog Ulrichs bei Boll "ain hülzine gans" gestanden. "Es soll seinerzeit den Zweck gehabt haben, die schadenstiftenden Schneegänse abzuwehren und sei vor etlich huntert Jahren gestiftet worden von grave Hainrichs von Aichelberg Hausfraw, die war ain geborene grefin von Ravenstein, hieß Bertha." Diese Gräfin Berta ist eine ganz sagenhafte Figur, an deren Stelle vielleicht einmal di Göttin Berchta, der das Bild heilig war, als der Beschützerin der Feldfrüchte, gestanden haben mag. Auch der Name Bertaburg, den ein Ausläufer des Konbergs bei Boll trägt, weist vielleicht noch auf diese Göttin hin. Und nun legt sich doch die Frage nahe, ob nicht ein ähnliches Bild auch einmal auf Gansloser Boden seinen Platz gehabt haben könnte. Dann hätten die Gruibinger diesen Teil ihrer Markung, die „Lose beim Gansbild“, zusammengezogen die „Ganslose“ genannt. Sonst, wo dieser nützliche Vogel in Gewandnamen erscheint, wird er in der Regel in der Mehrzahl verwendet, man redet von Gänswiesen, Gänsäckern usw. Hier wäre die Einzahl glatt verständlich, sobald es sich nur um eine, heilige Gans gehandelt hätte. Auf diese Weise wäre eine Erklärung für die Namensform Ganslosen gefunden, die eine Beiziehung des Slavischen unnötig macht und zugleich mit der heute üblichen Aussprache völlig übereinstimmt.“

I. Illig schreibt in der „Geschichte von Göppingen und Umgebung I“ zur Frage des Gansloser Namens:
„Bei der Zuteilung von Grundbesitz aus der Allmend oder aus dem Gemeindebesitz heraus an einzelne nachwachsende Gemeindeglieder entschied schon in frühen Zeiten das Los, und die zugeschiedenen Grundstücksteile wurden daher häufig Lose genannt. Damit ist die zweite Hälfte des Ortsnamens Gaslosen leicht erklärbar. Auch die erste Hälfte „Gas“ oder „Gaß“ ist einfach zu deuten: „Gaß“ ist gleichbedeutend mit dem heutigen Wort „Gasse“, das in Ortsbezeichnungen seit dem 10. Jahrhundert sicher nachweisbar ist und heute noch in etwa 100 Ortsnamen vorkommt. Die Deutung des Wortes Gaslosen bzw. Gaßlosen wäre sonach „Lose an der Gasse“. Bei dieser Deutung handelt es sich nicht um eine weit hergeholte und willkürliche Kombination, sondern um eine einfache und nüchterne Erfassung des Wortsinns, der seine Bestätigung in den geschichtlichen Tatsachen findet. Denn ein wichtiger Teil der Gansloser Markung, nämlich der Teil, durch den die Straße führt, trägt heute noch einen Flurnamen, aus dem wir ersehen können, daß der Weg durch das Tal in alten Zeiten als Gasse bezeichnet wurde. Dieser Flurname heißt Gassenäcker, d. h. die Acker an der Straße. Diese Gassenäcker liegen unmittelbar beim Dorfe. Es ist also sowohl der erste Teil des ursprünglichen Ortsnamens Gaslosen, nämlich Gaß = Gasse, wie auch der zweite Teil „Lose“ = ausgeloste Allmendteile, aus den heute noch nachweisbaren geschichtlichen Tatsachen höchst einfach zu erklären, so daß wir nicht nötig haben, unsere Zuflucht zu einer frei zusammenphantasierten Wendensiedlung zu nehmen wie Bacmeister oder zur „hülzernen Gans“, wie Renz, der Gaslosen als Lose bei der Gans deutete, wobei er annahm, daß wohl auch Ganslosen eine „hülzene Gans“ verehrt habe wie Boll.
Er übersah dabei, daß die Aufstellung der Boller Gans erst gegen die Mitte oder das Ende des 12. Jahrhunderts erfolgte, während Ganslosen bereits ums Jahr 1100 erwähnt wird, also wenigstens 100, wahrscheinlich aber 200-300 Jahre früher.“

August Lämmle schrieb in den Blättern des Schwäbischen Albvereins 1961: „Ganslosen ist der Urname der Siedlung bzw. der Gemeinde. „Gaslosen“ und „Gastlosen“ sind willkürliche Versuche, die mund-artliche Form zu schreiben oder zu deuten. Das Bestimmungswort ist G-a-n-s... Das Grundwort ‚losen‘ ist unzweifelhaft... Bei der Aufteilung freien oder fraglichen Landes wurden nach germanischem Brauch gleichartige, gleichwertige Stücke ausgemessen oder geschätzt und durch Los unter die Anwärter, die Erben, unter Nutzungsberechtigte oder Nachbarn verlost.

Diese Lose wurden Privateigentum, vererbbar und verkäuflich. Gemeinsam war wohl die Oberlehensherrschaft und die Jurisdiktion, welche auch die Gemeindeverwaltung ordnete, soweit dies bei soviel Herrenrechten möglich war.“

Von Lämmle stammt auch eine Erklärung, die ebenfalls denkbar wäre:
„Gan war der Gemeinschaftsbesitz einer Gemeinde, der an Liebhaber zum Siedeln und Roden ausgelost wurde und im Gegensatz zur Allmende freies Eigentum der Betreffenden wurde. Den auf diese Weise neu entstandenen Weiler nannten die in der Muttergemeinde Verbliebenen die Gan-Lose. Wie aus Weinberg Weinsberg, aus Braunbach Braunsbach etc. entstand, so aus Gan-losen dann Ganslosen.“
Man sieht: Die Namendeutung von Ganslosen ist sehr umstritten. Wahrscheinlich wird man auch nie eine eindeutige Erklärung für die Entstehung der alten Ortsbezeichnung für das heutige Auendorf finden. Sicher scheint nur - das geht aus den Ansich-ten über die Bildung derselben hervor -‚ daß das Grundwort - lose - nichts anderes sagen will, als daß die heutige Markung von Auendorf ehemals Teile waren, die von der Urmarkung Gruibingen von der Muttergemeinde abgezweigt worden waren, um Jungbauern Gelegenheit zu geben, auf abgelegenem Allgemeingut zu roden und zu siedeln.
Nur über das Bestimmungswort Gans- konnte bisher niemand zu einem durchweg überzeugenden Urteil gelangen.
 

Wir sehen: Die Namendeutung von Ganslosen ist sehr umstritten. Wahrscheinlich wird man auch nie eine völlig klare Erklärung für die Entstehung der alten Ortsbezeichnung für das heutige Auendorf finden. Sicher ist nur, - das geht aus allen 7 Ansichten über die Bildung derselben hervor - daß das Grundwort -lose nichts anderes sagen will, als daß die heutige Markung von Auendorf ehemals Teile waren, die von der Urmarkung Gruibingen von der Muttergemeinde abgezweigt worden waren, um Jungbauern Gelegenheit zu geben, auf abgelegenem Allgemeingut zu roden und zu siedeln.

Nur über das Bestimmungswort Gans- kann keiner der Fachleute zu einem durchweg überzeugenden Urteil gelangen.

Da geht es zunächst um die Schreibweise. Wie ist Ganslosen in alten Akten verzeichnet ?
1100: Gaslosen
1200: Ganslosen
1207: Gaslosen
1356: Gansiosen
1369: Ganslosen
1383: Ganslosen
1385: Gasslosen
1389: Gaslosen
1422: Ganslosen
1405: Ganslosen
1419/70: Ganslosen
1459: Ganslosen
1472: Ganslosen
1481: Ganslosen
1516: Gaßlousen
1525: Gannßlosen
1545: Ganßlaußen
1579: Gannßlosen

In den allermeisten Fällen wurde also Ganslosen geschrieben. Gastlosen kommt nur in dem Bericht von 1535 vor, der nicht näher nach seinem Ursprung bezeichnet wird; er ist wohl identisch mit jenem, der die Ortsbezeichnung von Bezgenried von den vielen, hier durchlaufenden Bäche bezeichnet, was sehr zweifelhaft ist . Und wenn daringesagt wird, der Name Gastlosen rühre daher, „weil viel Wirt und wenig Gäste daselbst so ist das Unsinn, weil es zur Zeit der Namengebung in dem Dörflein noch keine Wirtschaft gab. Und wendische Herkunft ? Nein ! Für den Nachweis einer solchen ist keine Spur vorhanden.

Gas- und Gaßlosen wird zweimal geschrieben. Buck deutet Gaslosen als Überschwemmungsgebiet, was nicht sehr anspricht und Illig verbindet Gaßlosen mit den Gassenäckern. Beide übersehen nur, was sehr wichtig ist. Die Aussprache des Namens Ganslosen. Die blieb sich im Lauf der Jahrhunderte gleich: Ga(n)slosen mit dunklem a, nie offen wie Gasse. Das veranlaßte dann Renz, ein schwäbisches Ga(n)sbild auf den Auendorfer Fluren zu vermuten, wie es die sagenhafte Berta von Boll auf der Albmarkung ihrer Gemeinde zur Abwehr gegen die schadenstiftenden Schneegänse aufgestellt haben soll. Das war schon mehr einleuchtend. Dann aber kam Lämmle mit einer Erklärung, die noch mehr Wahrscheinlichkeit an sich trägt: Gan war der Gemeinschaftsbesitz einer Gemeinde, der an Liebhaber zum Siedeln und Roden ausgelost wurde und im Gegensatz zur Allmende freies Eigentum der Betreffenden wurde. Den auf diese Weise neu entstandenen Weiler nannten die in der Muttergemeinde Verbliebenen die Gan-Lose. Wie aus Weinberg Weinsberg, aus Braunbach Braunsbach etc. entstand, so aus Ganlosen dann Ganslosen.


Quellen: Karl Kirschmer, Chronik von Auendorf-Ganslosen (1955/1984)
Gemeinde Bad Ditzenbach, Von Ganslosen bis Auendorf, Eine Ortschronik (1999)

Home            Zurück
© 8.9.2002 - 27.1.2006